Im Oktober 2018 haben wir eine Recherche zur Überprüfung von Straßennamen in Neumünster durch eine unabhängige Gutachter-Kommission veröffentlicht. Unter der Lupe ist auch Pastor Karl Keding, dem zu Ehren es einen Pastor-Keding-Weg in Faldera gibt.
Eine NSDAP-Kartei von Pastor Karl Keding ist leider nicht vorhanden, aber Keding war Mitglied der verbrecherischen Wehrmacht in Spanien beim Einsatz der Legion Condor.
Bei der personenbezogenen Recherche im Bundesarchiv konnten drei Unterlagen gefunden werden:
1. Personenbezogene Unterlagen aus der Reichskulturkammer (solche Unterlage entstanden, wenn jemand beispielsweise eine Publikation herausbringen wollte)
2. Personalunterlagen als Angehöriger der Wehrmacht (hier wird Karl Keding als Major d. Reserve angegeben)
3. weitere Personalunterlagen als Angehöriger der Wehrmacht (hier wird Karl Keding als Wehrmachtspfarrer angegeben)
Die zwei letztgenannten Unterlagen befinden sich im Militärarchiv in Freiburg und können leider aus Berlin nicht eingesehen werden. Die Unterlagen der Reichskulturkammer konnte ich bestellen. Die Recherchen in Freiburg dauern erfahrungsgemäß oft bis zu 9 Monate.
Aus der Akte der Reichskulturkammer mit der Signatur BArch R 9361-V geht hervor, dass Keding seit 1924 Mitglied des „Stahlhelms“ war, seit 1933 in der SA-Reserve I. In dieser wurden die 36- bis 45-jährigen Mitglieder des Stahlhelms unterstellt.
Aus der SA ist er dann am 1.11.1935 wegen Übernahme zur Wehrmacht als Wehrmachtspfarrer ausgeschieden.
Akten der Reichskulturkammer enthalten oft Lebensläufe der betroffenen Personen, die oft auch deren parteipolitisches Engagement beschreiben, um etwa eine Veröffentlichung zu rechtfertigen.
Im Fragebogen zum Aufnahmeantrag für die Reichsschrifttumskammer (Gruppe Schriftsteller) beantwortet Keding die Frage, welchen anderen Parteien er vor der NS-Zeit angehörte, mit der handschriftlichen Antwort: „Deutschnationale Volkspartei von 1930-1932“.
Im Folgenden möchte ich „Stahlhelm“ und „Deutschnationale Volkspartei“ beleuchten:
Der „Stahlhelm, Bund der Frontsoldaten“ war ein Wehrverband zur Zeit der Weimarer Republik, der kurz nach Ende des Ersten Weltkrieges am 25. Dezember 1918 von dem Reserveoffizier Franz Seldte in Magdeburg gegründet wurde. Seldte war zusammen mit Theodor Duesterberg Vorsitzender der Vereinigung. Sie galt als bewaffneter Arm der demokratiefeindlichen Deutschnationalen Volkspartei (DNVP). So stellte der Stahlhelm bei Parteiversammlungen vielfach den (bewaffneten) Saalschutz.
In der Weimarer Zeit konnte der „Stahlhelm“ zu einer Massenorganisation werden, die 1933 etwa 750.000 Mitglieder hatte. Mit der Machtübernahme an die Nazis wurde der Stahlhelm in die SA eingegliedert. Das enge Verhältnis zur NSDAP wird aus einer Erklärung von Franz Seldte vom 5. September 1933 deutlich:
„Wir haben nach einem Führer ausgeschaut. Nun haben wir in Ihnen, Herr Volkskanzler, den Führer erkannt und gefunden, dem Gott die Fähigkeit verliehen hat, den Deutschen Befehle jetzt und für die Zukunft geben zu können. Sie als Führer wollen uns auch in die gemeinsame, große, nationalsozialistische Bewegung aufnehmen. (…) Wir nehmen dies mit tiefem Dank an.“
1935 wurde die Organisation formell aufgelöst. Sie trug dann die Bezeichnung Nationalsozialistischer Deutscher Frontkämpferbund. 1951 erfolgte die Neugründung. An den Bundestreffen des Stahlhelm nahmen bis in die 60er Jahre über 2000 Mitglieder teil. 1973 führte die Organisation den noch heute gültigen Namen ein. Die Organisation forderte die Wiederherstellung des Deutschen Reiches in den Grenzen von 1939, betrieb rassistische und antisemitische Agitation und verherrlichte in nationalistischer und militaristischer Art und Weise die deutsche Geschichte. In den siebziger Jahren referierten Rechtsterroristen wie der Chef der Wehrsportgruppe Hoffmann, Karl-Heinz Hoffmann, vor den Ewiggestrigen.
Auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung in Jork (Landkreis Stade) hat sich der neofaschistische »Stahlhelm e.V.« am 12. Juni 2000 selbst aufgelöst. Dies nicht zuletzt auch durch den Druck, den die VVN-BdA – die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten – auf den Verein ausübte, nachdem sie ein Verbot und die Auflösung des neofaschistischen Vereins gefordert hatte.
Soweit der Ausflug in die Geschichte des Stahlhelms. Ich finde es mehr als bedenklich, wenn Stahlhelmer auch noch durch eine Straßenbenennung zu Ehren kommen.
Im Nachlass des Pinneberger Pastors Christian Dethleffsen, der wie Keding ein begeisterter Hitler-Anhänger war, findet sich eine von Keding verfasste Broschüre „Dein Lebensflug“, herausgegeben vom Berliner Ostwerk-Verlag, vermutlich 1940¹. In dieser für „Jungen ab 12“ verfassten 50-seitigen Broschüre wird das Bild vom „Führer“ weitergetragen, dass Keding hatte. Im Buch wird das Flugzeug mit dem Leib, die Landkarte mit der Bibel, das menschliche Gewissen mit dem Kompass, das Funkgerät mit dem Gebet zu Gott verglichen.
Auch Formulierungen wie „Alles für Deutschland – alles für Christus“ und „Priester sind die Leibstandarte des Herrgotts“ sind von solchen Autoren überliefert. Hier wurden nationalsozialistische Begriffe und soldatisch-militärische Formulierungen planmäßig in den kirchlichen Sprachgebrauch eingeführt, damit sie auch auf andere Lebensbereiche und Lehren einwirken.
1: LKAK 98.114 (NL Dethleffsen, Christian) Nr. 531
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