Als Antwort auf eine Große Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur „Reichsbürger*innenbewegung“ in Schleswig-Holstein aus dem August ist nun vor kurzem die Antwort der Landesregierung dazu erschienen. Demnach ist die Anzahl der Personen, die von der Landesregierung als „Reichsbürger*innen“ eingestuft werden, seit dem letzten Jahr stark angestiegen. Zunächst einmal ging es darum zu definieren, wer denn überhaupt als „Reichsbürger*in“ eingestuft wird. Die Landesregierung sagt dazu, dass mit „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ Gruppierungen und Einzelpersonen gemeint sind, die aus unterschiedlichen Motiven und mit unterschiedlichen Begründungen, unter anderem unter Berufung auf das historische Deutsche Reich, verschwörungstheoretische Argumentationsmuster oder ein selbst definiertes Naturrecht die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem ablehnen. Sie sprechen den demokratisch gewählten Repräsentanten die Legitimation ab, oder definieren sich gar in Gänze als außerhalb der Rechtsordnung stehend.
Die Regierung hat deshalb die Besorgnis, dass sie Verstöße gegen die Rechtsordnung begehen könnten.
Die Grünen hatten danach gefragt, wie viele Gruppierungen von „Reichsbürger*innen“ es derzeit in Schleswig-Holstein gibt. Darauf listet die Antwort vier wichtige Organisationen mit einem Potenzial von insgesamt 60 Personen auf, die laut Aussage die bedeutendsten Gruppierungen darstellen. Zur Information: Mit Stand vom 30. September 2018 hat der VS insgesamt 288 Personen als „Reichsbürger*innen“ identifiziert. Das heißt, ca. 230 Personen sind unorganisiert und damit auch schwer zu fassen. In Neumünster sind derzeit 11 „Reichsbürger*innen“ bekannt. Hinzu kommen noch 13 Verdächtige, das sind Personen, die noch in der weiteren Sachverhaltsaufklärung durch die Verfassungsschutzbehörde sind. Die Landesregierung weiß nicht, wie viele dieser insgesamt 24 Personen in gesellschaftlich relevanten, sozialen Berufen, wie Lehrer*in, Erzieher*in tätig sind – mit konkreten Anhaltspunkten und Hinweisen könnte da sicherlich noch mehr bewirkt werden.
Die Zahlen sind schon wirklich erschreckend: Während 2017 noch 230 Reichsbürger bekannt waren, sind es Ende September wie gesagt 288 Personen. Dazu muss man wissen, dass die Reichsbürgerbewegung erst seit 2015 Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes Schleswig-Holstein ist.
Zu der neuen Informationslage haben die Anfragen des Abgeordneten Uli König (Piraten) aus dem November 2016 sowie die Anfrage des NDR-Journalisten Carsten Janz im Oktober 2018 beigetragen. Bereits 2014 gab es ein Arbeitspapier zu Neudeutschland / Reichsbürger-Aktivitäten in Rendsburg und Umgebung.
Als Beispiel für Kontakte ins „Reichsbürger“-Milieu wurde in diesem Jahr über Patrick S. aus Wedel berichtet, der die Anti-Asylgruppe „Schleswig-Holstein wehrt sich“ mit anführte. S. schwärmt für den völkischen Flügel der AfD ebenso wie für den „Widerstand Freital“ oder „die Hüter der Irminsul“ sowie den braunen Barden Frank Rennicke. Sein Facebook-Account erscheint antisemitisch und NS-freundlich. Im Januar 2016 beschrieb der Norddeutsche mit wirren Worten ein „Sieges-Szenario“, demzufolge ganz Deutschland „ein chaotisches Arbeitslager“ sei.
Aus der Antwort der Landesregierung geht hervor, dass es in Neumünster einen oder mehrere so genannte Selbstverwalter gibt. Selbstverwalter rufen ganze Gemeinden und Städte zu einem souveränen Staatsgebiet aus und nehmen es unter ihre „Verwaltung“. So scheint der oder die Selbstverwalterin Neumünster-Brachenfeld als Staatsgebiet zu betrachten. Das mag ganz lustig klingen, aber diese Leute beschäftigen die Stadtverwaltung unglaublich stark und blockieren damit Ressourcen und Zeit, die für andere Arbeit genutzt werden könnte.
Die Bundesregierung geht von 18 000 AnhängerInnen der „Reichsbürgerbewegung“ aus. Das Bundesamt für Verfassungsschutz und das Bundeskriminalamt (BKA) schätzten in einem Lagebericht vom April 2018, dass von 2015 bis Mitte 2017 mehr als 10.500 Straftaten durch „Reichsbürger“ begangen wurden.
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