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Zukunft Mensch – auf der Erde

1. Aufriss, 2. Abriss, 3. Hoffnung

1. Aufriss

Genug war nicht genug:
Als die Menschen sich nicht mehr mit der Energie zufrieden gaben, die ihnen die Sonne jeden Tag lieferte, begannen sie die Schätze der geronnenen Energie zu heben und tanzten und schrien unter den sprudelnden Ölquellen, die ihre Gesichter verdreckten, und aus den kohlegeschwärzten Mündern jubelte es: Wir haben die Lösung – das Paradies findet auf Erden statt.
Und nun haben wir das Paradies:
Die flotten Autos, die vollen Einkaufskörbe, die Glotzerei bis in jeden Winkel der Welt, bis in jede Falte eines fremden Körpers. Sind rund um die Uhr überall in jeder Ecke des Globus erreichbar: Ja, das Frühstück war gut – und kein Flecken ist mehr sicher vor unseren Fliegern – und Roboter werden uns von der Staubsaugerei und den blöden Arbeiten befreien.
Und nun haben wir den Salat:
Wir ersticken an den Möglichkeiten, die uns passiv machen, an den Geschwindigkeiten, die uns bewegungslos mobil einpferchen – von einem auf den anderen Tag werden wir in Neues geschubst – den Befehlen ausgeliefert: „Nichts ist unmöglich“.
Noch schneller noch mehr …
Und langsam dämmert es:
Diese Art Paradies hat einige Strickfehler: Die Entsinnlichung und die uferlosen Möglichkeiten machen uns nicht so glücklich und frei, wie es mal gedacht worden war. und dieses Paradies lässt viele Sklaven, die Mehrheit der Menschen auf der Erde, immer noch für uns schuften und krepieren – und die dunklen, unsichtbaren Wolken der Erderwärmung wachsen unaufhaltsam an. Das ist der Preis für dieses Paradies, wobei die Kalkulation irrtümlicherweise davon ausgegangen war, dass Luft und Wasser nichts „kosten“ würden und als „freie Güter“ endlos zu haben seien.
Also, Pustekuchen:
Wie konnte es passieren, dass der, der das A macht (das Minderheiten-Fortschrittsparadies), die B-Folgen (die Versklavung der Mehrheit der Menschen und die Zerstörung der Lebensbedingungen auf der Erde) nicht berücksichtigte, also den Zweig, auf dem man saß, fleißig absägte.
Blindheit? Beklopptheit? Wahnsinn? Arroganz? Monsterhafte Gefräßigkeit?
Nichts ist mehr unmöglich:
Die Katastrophen sind am Laufen. Da kommt noch einiges unwiderruflich auf uns zu. Vielleicht das Ende – das Ende? Für wen? Nicht für uns.
Abschottung können wir schon. Und eine Kapsel auf der Erdkugelkapsel schaffen wir auch. Dieses Drinnen, gesund belüftet, gekühlt, und Roboter werden noch brauchbare Flächen beackern und uns gegenüber dem Draußen verteidigen, wird ein Paradies bleiben – und ab und zu ziehen wir herum, uns die Gegenden auszusuchen, die noch einigermaßen bewohnbar sind und wo wir unsere Sauerstoffzeltpaläste aufbauen – und der Rest wird untergehen.
Die vielen Menschen auf der Erde sind einige zu viel. Das kann man ändern. Sie können nicht alle ein Auto haben – sollen doch auf allen Vieren kriechen. „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ Das heißt als frohe Botschaft doch, dass man nicht alle lieben muss.
Amen.
Und unsere Kreuzfahrtschiffe werden mit Sicherheit sicher sein und keine Eisberge mehr rammen…

2. Abriss

Hitze, Dürre, Waldbrände …
Der Winter 2016/2017 in New York hatte Tage, an denen es 25-21 Grad wärmer war als normalerweise. Die zunehmende Hitze auf der Erde ist Fakt. Für alle Säugetiere spielt die „Kühlgrenztemperatur“ (Hitze und Luftfeuchtigkeit) eine entscheidende Rolle. Sie darf 35 Grad nicht überschreiten und liegt in den meisten Regionen bei 26/27 Grad, wobei immer häufiger in bestimmten Gegenden Hitzewellen auftreten, die im Nahen und Mittleren Osten und am Persischen Golf 2015 zum Teil Temperaturen bis zu 72,7 Grad erreichten.
„Seit 1980 hat der Planet eine 50-fache Zunahme an Orten verzeichnet, die gefährlich oder extrem heiße Temperaturen verzeichnen. (…) In Europa traten die fünf wärmsten Sommer seit dem Jahr 1500 alle seit 2002 auf.“ Selbst, wenn wir die Klimaziele von Paris mit einem Temperaturanstieg von zwei Grad einhalten, werden Städte wie Karatschi und Kalkutta fast unbewohnbar werden und in jedem Jahr tödliche Hitzewellen wie 2015 erleben. Bei vier Grad Erderwärmung wird die europäische Hitzewelle von 2003, der bis zu 2000 Menschen an einem einzelnen Tag zum Opfer fielen, zur sommerlichen Normalität werden. Durch Dehydrierung leiden in den Zuckerrohr-Regionen von El Salvador ein Fünftel der t3evölkerung (Männer: ein Viertel) an chronischen Nierenerkrankungen. Verändern sich die optimalen Wachstumstemperaturen für die wichtigsten Getreidesorten, sinken die Erträge pro 1 Grad Anstieg um 10%, was bei 5 Grad plus im Jahre 3000 50% weniger wäre, wobei gleichzeitig 50 % mehr Menschen ernährt werden müssten. Dass kältere Regionen dann wärmer werden, nützt nichts, da die Böden eine geringere Fruchtbarkeit haben.

16 Kalorien an Getreide benötigt man, um eine Kalorie Protein (Fleisch) herzustellen, wobei z. B. die Kühe ständig Methan produzieren, was auch durch das Auftauen der Permafrostböden zu einem großen Problem werden könnte, denn: „Der arktische Boden enthält (…) 1,8 Billionen Tonnen Kohlenstoff — mehr als doppelt so viel, wie sich gegenwärtig in der Erdatmosphäre befindet. Wenn dieser freigesetzt wird, könnte er in Gestalt von Methan verdampfen. Dieses ist als Treibhausgas-Anheizer um ein Vielfaches wirksamer als Kohlendioxid — und zwar 34 Mal so groß.“ Und es gibt dabei noch ein Problem: Es ist völlig offen, welche prähistorischen Krankheiten, die in den Permafrostböden und im arktischen Eis gebunden sind, auf uns lauern, von denen unser Immunsystem keine Ahnung (mehr) hat. Wüstenbildung findet statt. Missernten durch Dürre sind angesagt . Südeuropa müsste ab dem Jahr 2080 mit einer permanenten Dürre leben. In Somalia, dem Südsudan, Nigeria und Jemen sind gegenwärtig 20 Mio. Menschen von Unterernährung und Hunger bedroht. Die Zahl der Unterernährten wird weltweit auf 800 Millionen geschätzt.

Hitze und Dürre erhöhen die Waldbrandgefahr, wobei auch die Luftverschmutzung extrem ansteigt. So hat sich die Waldbrandsaison in den USA seit 1970 im Schnitt um 78 Tage verlängert. Und Feuer, die in Wäldern, die auf Torfböden wachsen, wüteten, haben in Indonesien den weltweiten Co-2-Ausstoß um bis zu 40% erhöht. „Des Weiteren besteht die Möglichkeit, dass ein Regenwald wie der Amazonas, der 2010 die zweite Jahrhundertdürre in fünf Jahren erlitten hat, soweit austrocknen könnte, dass auch er anfällig für Waldbrände würde.“ Wobei das Amazonasgebiet besonders wichtig ist, weil es 20% des Sauerstoffs produziert. Dürrekatastrophen, wie sie in Syrien stattgefunden haben, können zu kriegerischen Auseinandersetzungen fuhren oder dazu beitragen. Der Zusammenhang von Klimaveränderungen und Gewalt ist gegeben, so dass mit einem Anstieg der kriegerischen Auseinandersetzung auch in diesem Punkt besonders gerechnet werden muss.

Um das 2-Grad-Ziel von Paris bis zum Jahre 2050 zu erreichen, müssten Kohlenstoffemissionen (Industriehaushalte/Verkehr usw.) pro Jahrzehnt um die Hälfte reduziert, landwirtschaftliche Emissionen müssten vollständig gestoppt und es müssten Technologien entwickelt werden, die jährlich zweimal so viel Kohlenstoff aus der Atmosphäre ziehen, wie alle Pflanzen des Planeten es gegenwärtig zusammentun. Einige Analysen gehen davon aus, dass selbst bei einem totalen Stopp der Emissionen, global und jetzt, Prozesse lawinenartig in Gang gekommen sind, die nicht mehr zu kontrollieren und zu steuern sind.

In den vergangenen dreißig Jahren sind 50 % aller von Menschen verursachten Emissionen entstanden. Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges sind es 85%. Innerhalb einer Generation hat ein Kamikaze-Wachstum stattgefunden. Mit dem Beginn der industriellen Revolution, die durch Kohle und Öl den „fossilen Kapitalismus“ entfesselte, hat sich erdgeschichtlich eine durch Menschen verursachte Beschleunigung der Co-2-Freisetzung ergeben, die offenbar nicht mehr zu bremsen ist und mit ihren lawinenartig anwachsenden Folgeprozessen in eine unaufhaltbare Katastrophe fuhrt. Und was ist mit Geoengineering, Co-2 aus der Atmosphäre herausfiltern, Himmel durch Aerosol-Ansatz verdunkeln, um die Sonneneinstrahlung zu verringern? Dass die mit dem Pariser Klimaabkommen angestrebten 2 Grad erreicht werden, ist für alle seriösen Experten unwahrscheinlich. Die UN-Experten gehen davon aus, dass wir zu Beginn des nächsten Jahrhunderts bei 4 Grad liegen dürften, was ein Mittelwert ist, und 8 Grad ist das obere Ende der Wahrscheinlichkeitskurve. Die Erde hat bisher fünfmal ein großes Aussterben erlebt. Einmal durch Asteroiden, die die Dinosaurier vernichteten, viermal durch erhöhte Kohlendioxidkonzentrationen. Das letzte Aussterben (97 Prozent des Lebens auf der Erde) gab es vor 252 Millionen Jahren, als die Atmosphäre sich um 5 Grad erwärmte. Die Freisetzung von Co-2 durch den Menschen findet erdgeschichtlich betrachtet in einer unvorstellbaren Geschwindigkeit statt (Anthropozän), so dass nüchterne Wissenschaftler davon ausgehen: „Kein plausibles Programm zur Reduzierung von Emissionen ist allein in der Lage, eine Klimakatastrophe zu verhindern.“ Dass es zu dieser Situation gekommen ist, beruht anfänglich auf Unwissenheit (Wasser und Luft wurden wirtschaftlich als „freie Güter“ angesehen, ohne zu erfassen, dass wir uns auf der Erde in einem „geschlossenen System“, einem Aquarium gleich, befinden, dass keine „Niere“, kein Filtersystem hat), danach folgte die Phase der Verleugnung und Ignoranz — und jetzt bleibt uns nur noch eine „Als-ob-Politik“ übrig — wir tun so, als ob noch etwas zu retten wäre.

3. Hoffnung

Welche Bedeutung diese niederschmetternden Tatsachen für das Gefühl der Menschen und das daraus geschlussfolgerte politische Handeln hat (völlig gleich, was wir tun, die Zukunft wird nicht mehr zu retten sein), bleibt völlig ungewiss.
So tun, als ob noch etwas zu retten wäre, bleibt wahrscheinlich die einzige Möglichkeit, die soziale Dynamik noch halbwegs vernünftig zu steuern. Die Als-ob-Politik als vertrauensbildende Lügenstrategie.
Die Lawine ist losgetreten und nicht mehr zu stoppen. Der Zug ist mit dem Ziel „Katastrophe“ abgefahren und seine Richtung durch kein menschliches Handeln mehr zu beeinflussen.
So ist es.
Wer das bezweifelt, tut noch etwas Gutes für sich, denn es macht einfach mehr Spaß, auch noch in der größten Not mit einer Hoffnung zu leben. „Wer’s glaubt, wird selig.“

Aber wirklich frei sind die, die die Realität erfassen und akzeptieren. Sie sind von allen finalen Zwecken und Zielen ihres Tuns befreit. Die Zukunft lässt sich nicht mehr erweichen und erweist uns keine Gnade mehr.
Die repressive Keule einer Zukunftsmoral („denk an die Enkel der Enkel …“), ein Handeln einzuklagen, ist kein Instrument mehr für eine Mobilisierung, sich berechnend „vernünftig“ zu verhalten.
Wir hatten die Rechnung ohne den „Wirt“ gemacht – und jetzt schubst er uns in die Pleite. Das Hoffnungsspiel ist aus.

Eine Sache aber bleibt noch. Wenn es keinen finalen Sinn mehr gibt, ist der Sinn aus fremdbestimmten Zwecken befreit – und es bleibt noch der Selbstzweck, der schöne Eigensinn – trotz alledem – noch einen Baum zu pflanzen, weil der Baum heute noch schön ist und das Pflanzen selbst noch eine Freude bereitet.

Quellen:
Horst Mühlenhardt, Waldenburger Str. 6, 24537 Neumünster
Artikel „Der Planet schlägt zurück“ von David Wallace-Wells im „Freitag“ Nr. 29 vom 20.7.2017 – S.6-8



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