Am Dienstagabend besuchte ich die Eröffnung der Ausstellung „Rassendiagnose Zigeuner“ über den Völkermord an den Sinti und Roma, die nun bis zum 29. September 2019 täglich von 10 bis 18 Uhr im Landeshaus in Kiel zu sehen ist.
Für Sinti und Roma in Deutschland und Europa war es ein langer Weg bis zur heutigen Anerkennung. Um so wichtiger ist die nun konzipierte Ausstellung, die Vorurteile abbauen und das gegenseitige Verständnis fördern soll.
Die Wanderausstellung des Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma, die von der Kulturstiftung des Bundes gefördert wird, informiert anhand von Schautafeln, Text- und Bilddokumenten über den nationalsozialistischen Völkermord an den Sinti und Roma sowie die Geschichte der Überlebenden im Nachkriegsdeutschland und ihre erst späte Anerkennung als NS-Opfer. Am Ende steht ein Ausblick auf die Menschenrechtssituation der Sinti- und Roma-Minderheiten in Europa nach 1989.
Die Eröffnungsveranstaltung begann pünktlich um 19 Uhr, sodass ich keine Gelegenheit mehr hatte, alle Redner und Rednerinnen zu befragen, ob sie mit einer Aufzeichnung einverstanden wären, daher kann ich leider keine Originaltöne heute beisteuern. Ich habe aber das Redemanuskript der Landtagsvizepräsidentin Kirsten Eickhoff-Weber erhalten, mit der ich auch noch persönlich sprechen konnte. Musikalisch begleitet wurde der Abend durch die Band „Django forever“ aus Hamburg. Die Band spielt Swing- und Gypsy-Jazz mit großer Spielfreude und in munterem Tempo. Die drei Brüder Jeffrey, Roberto und Marcel Weiss, die auch in dieser Besetzung am Dienstag im Landeshaus spielten, haben früh gelernt, Gitarre im Stile Django Reinhardts zu spielen.
Doch zurück zum Redeteil: Eickhoff-Weber hob hervor, dass den Opfern mit der Ausstellung ein Stück Würde zurückgegeben wurde. Denn die Nazis, die die Opfer mit einer konstruierten Rassendiagnose völlig entmenschlicht hatten, würdigten Sinti und Roma auf verschiedene Weise herab: Einmal durch die Sprache und das Unwort „Zigeuner“, das auch noch von einigen selbsternannten „Zigeunerforschern“ verwendet wird. Danach folgte die physische Erniedrigung und schließlich die Ermordung derjenigen, die als „lebensunwert“ von den Nazis eingestuft worden waren.
Landtagsvizepräsidentin Eickhoff-Weber betonte, dass der Kampf um Anerkennung bis heute nicht zu Ende sei. Noch immer würde den Sinti und Roma mit Vorurteilen begegnet. Dagegen habe der Schleswig-Holsteinische Landtag vor sieben Jahren ein wichtiges Zeichen gesetzt, als er die Minderheiten unter den besonderen Schutz der Landesverfassung stellte – zu denen auch die Sinti und Roma gehören. Im Wissen um das Geschehene müsse der Blick jetzt nach vorne gerichtet werden, so Eickhoff-Weber.
Neben der Landtagsvizepräsidentin sprachen Romani Rose, der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, sowie Matthäus Weiß, der Erste Vorsitzende des Landesverbands Deutscher Sinti und Roma. Seine Worte „Wir sind nicht als Opfer geboren, sondern wurden dazu gemacht“ waren die einprägendsten Worte der gesamten Veranstaltung. Romani Rose betonte in seiner Einführung, dass Freiheit, Rechtstaatlichkeit und Demokratie Werte seien, die jeden Tag aufs Neue bewahrt und verteidigt werden müssten.
Da wir keine Rede und kein Audiomaterial von Romani Rose vom Dienstag haben, lassen wir ihn durch eine Rede vom 10. Mai 2017 zu Wort kommen, bei der feierlichen Einweihung des Gedenkortes „Hannoverscher Bahnhof“ in Hamburg. Vom ehemaligen Hannoverschen Bahnhof fuhren zwischen 1940 und 1945 20 Deportationszüge in die Ghettos und Vernichtungslager. Für über 8.000 Juden, Sinti und Roma bedeutete dies eine Fahrt, die für die meisten von ihnen mit dem Tod endete.
Als letzter Redner trat Matthäus Weiß ans Pult, der in gewohnter Manier eine freie Rede hielt. Für ihn sei die Ausstellung eine große Ehre. „Wir freuen uns, dass die Anerkennung durch den Zentralrat und den Landtag stattfindet.“ so Weiß. Im Anschluss führte Herr Weiß die Besucher und Besucherinnen fachkundig durch die Ausstellung. Gleich auf dem ersten Tableau begegnete mir eine sog. Gutachterliche Äußerung, die von Dr. Robert Ritter, dem Leiter der sogenannten „Rassenhygienischen Forschungsstelle des Reichsgesundheitsamtes“ in Berlin am 30. August 1941 an Personen aus Neumünster erfasst wurde.
Ich werde mir diese Ausstellung noch einmal in Ruhe anschauen, weil ich an dem Dienstagabend gar nicht alles so schnell erfassen konnte. Sie hat auch hohe Relevanz für das Vorhaben des Runden Tisches, einen Gedenkort im Haart 38 am 16. Mai 2020 einweihen zu können, der den 80. Jahrestag der Deportation von Sinti und Roma aus Neumünster darstellt.
Die Ausstellung “Rassendiagnose Zigeuner” ist bis zum 29. September 2019 täglich von 10 bis 18 Uhr im Landeshaus in Kiel zu sehen. Der Personalausweis sollte mitgebracht werden!
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