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Gründung einer Partei aus der Kleinbauernbewegung Codeca

Ein Gespenst geht um in Guatemala. Die Kleinbauernbewegung Codeca gründet eine Partei – und sieht diese als Instrument der sozialen Bewegungen. Thorben Austen ist sozusagen unser Auslandskorrespondent in Guatemala. Er war am vergangenen Wochenende, genauer gesagt, am Samstag 29.12., bei der ersten Generalversammlung der Partei „Movimiento para la Liberacion de los Pueblos“ (Bewegung für die Befreiung der Völker) dabei und hat darüber einen Artikel geschrieben, den ich hier vortragen möchte.

„Bewegung für die Befreiung der Völker (MLP)“ – das Wort Partei wird schon im Namen vermieden.

„Als Partei sehen wir uns eigentlich nicht, nicht so wie die 28 korrupten Parteien in Guatemala, die alle einen Besitzer haben und nur dessen Interesse vertreten“ erklärt Pablo Cabrera, Mitglied der MLP aus Palastina, einem kleinem Ort zwischen den Städten Quetzaltenango und San Marcos im Hochland Guatemalas.

Sein Companero Israel Perez ergänzt: „Wir sehen die MLP als Instrument, von Codeca (Komitee für bäuerliche Entwicklung) und anderen sozialen Bewegungen, so wie der Bus, der uns heute morgen hierher gebracht hat, so ist die MLP ein Instrument, um Guatemala zu verändern. In den Jahren der Arbeit bei Codeca sind wir zur Erkenntnis gelangt, mit Demonstrationen, Streiks und Blockaden allein, so wichtig diese auch sind, kommen wir nicht weiter, wir brauchen ein Instrument was uns zur politischen Macht führt.“

Beide sitzen am Rande der ersten Generalversammlung der Partei in Santo Domingo Suchitipueqe an der Costa Sur (Südküste) in Guatemala. Delegiert sind beide nicht, die etwa 5-stündige Autofahrt hierher haben sie trotzdem auf sich genommen, wie viele andere auch, oft noch sehr viel längere Fahrten und alles eigenfinanziert, wie sie betonen. Während in anderen Parteien bei vergleichbaren Anlässen „Jubelvolk“ herbeigekarrt und bezahlt wird, muss hier jeder seine Reise selbst bezahlen, für Menschen die oft unterhalb der Armutsgrenze leben ein nich t zu unterschätzender Kraftakt. Neben den 99 stimmberechtigten Deligierten sind rund 1000 Mitglieder und Symphatisanten aus dem ganzen Land an diesem Samstag nach Santo Domingo gekommen, ein Parteikongress der etwas anderen Art, alles findet unter freiem Himmel statt, es ist tropisch heiss, zwischen unseren Füssen rennen ein paar Hühner herum. „Wir sind hier nicht in einem 5 Sterne Hotel, Champagner und ein Drei-Gänge Menü werden hier auch nicht serviert“, heisst es dann auch kurz danach von der Bühne in Anspielung an andere Parteien in Guatemala.

In Anlehnung ans Kommunistische Manifest eröffnet der provisorische Generalsekretär Byron Gonzales offiziell die Versammlung.

„Ein Gespenst geht um in Guatemala, von Norden nach Süden, von Osten nach Westen, und die korrupte Oligarchie erzittert…“

In einer etwa 10 minütigen Rede fasst er die noch kurze Geschichte der Partei zusammen.

“Im März 2016 erfolgte auf einer Versammlung von Codeca und sechs Gewerkschaften die offizielle Gründung der Partei, das Symbol wurde festgelegt, ein Vulkan mit aufgehender Sonne, und der Name, Bewegung für die Befreiung der Völker. Am 7. November dieses Jahres die Einschreibung als Partei nach dem Parteiengesetz und heute die erste Generalversammlung der Partei“.

Zu den Grundsätzen der Partei führt er an „Wir stehen zu den Prinzipien der Revolution von 1944, für partipative Demokratie und kollektive Führung, für ein plurinationales Guatemala mit wahrer Demokratie. Der Weg dahin führt über einen Stopp und das Rückgängigmachen aller erfolgten Privatisierungen im Bereich der Bildung, Gesundheit, Strom- und Wasserversorgung etc. und eine plurinationale Nationalversammlung“.
Der Schutz der natürlichen Ressourcen und die Verteidigung ihrer Territorien, Themen, die der überwiegend aus Angehörigen der indigenen Bevölkerungsmehrheit bestehende Partei besonders am Herzen liegen, so werden die Mitglieder des 15 köpfigen, mit grosser Mehrheit gewählten Exekutivkomitee auch kurz danach verpflichtet, neben der Achtung der Gesetze der Republik die Interessen des Volkes und die natürlichen Ressourcen Guatemalas stets zu verteidigen. „Mit erhobener rechter Hand, bitte, so sagt es das Gesetz, ihr könnt aber auch gerne die Linke nehmen“ so Byron Gonzales, bevor er sein Amt an seinen Nachfolger übergibt, der nunmehr offizieller Generalsekretär ist, nicht mehr provisorisch. Ein Vertreter der Partei „Morena“ aus Mexiko, die die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen vor ein paar Wochen gewonnen hat, hält ein kurzes Grusswort in dem er sich für ein einheitliches, souveränes Lateinamerika ausspricht, „vom Rio Bravo bis nach Feuerland, dem Traum Simon Bolivars“. In kurzen Ansprachen gewählter Mitglieder des Exekutivkomitees sprechen diese sich auch für länderübergreifende Zusammenarbeit, „proletarischen Internationalismus“, aus und verdeutlichen in Aussprachen für „das sozialistische Kuba, dem Leuchtturm Lateinamerikas, dem vom Imperialismus angegriffenden Venezuela und für das sandinistische Nicaragua“ die internationale Ausrichtung der Partei.

Mit dem Gedenken an ermordete Mitglieder von Codeca und einiger kultureller Beiträge, die sich inhaltlich unter anderem mit dem Rassismus in Guatemala auseinander setzen, endet die Versammlung.

Auf dem Rückweg erzählt Israel Perez noch aus der Praxis von Codeca in den letzten Jahren.

„In unserer Region haben wir keine Megaprojekte, einer unserer Schwerpunkte ist die Auseinandersetzung um die Stromversorgung. Obwohl der Strom in unserer Region vom nationalen Stromversorger INDE produziert wird, verkaufen diese den an den privaten Anbieter Energuate, der ihn dann zum dreifachen Preis an die Kunden weiterverkauft. Daher hat Codeca vor ein paar Jahren beschlossen, das wir keinen Strom mehr bezahlen. Da wir das kollektiv, massenhaft machen, können sie uns auch nicht so einfach den Strom abstellen. Klar, es gibt mal Stromkappungen, aber im grossen und ganzen bleiben wir ans Stromnetz angeschlossen, kostenlos. Dabei wollen wir gar nicht „nichts bezahlen“ , alles auf der Welt kostet Geld, aber wir wollen einen fairen Preis an einen staatlichen Stromanbieter bezahlen. Desweiteren steht Codeca in Konfrontration mit Minen- und anderen Megaprojekten, da wird es dann oft auch lebensgefährlich, 8 Morde gab es an Codeca Mitgliedern in den letzten Monaten, die ermordeten waren meistens führende Repräsentanten im Widerstand gegen Grossprojekte.“

Vom “Pakt der Korrupten”, also von den etablierten Parteien in Guatemala, wird Thorben uns vielleicht im Verlauf des Jahres mehr erzählen. Die Eliten in Guatemala verteidigen die Straflosigkeit für Korruption.



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