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Frederick Geussenhainer – Widerstand in der NS-Zeit in Hamburg

Um die Jahreswende 1942/1943 schlossen sich Hamburger Studenten und Intellektuelle zu einem antinazistischen Widerstandskreis zusammen, der wegen seines angeblichen Kontakts zur Münchner Widerstandsgruppe der Geschwister Scholl nach 1945 „Weiße Rose Hamburg“ genannt wurde. (vgl. VVN Hamburg: „Streiflichter Hamburger Widerstand“)
Der Beginn dieser oppositionellen Tätigkeit bestand aus Leseabenden, bei denen Bücher von Thomas Mann, Tucholsky, Brecht und sozialistische Literatur erörtert wurden. Es war eine eher literarisch-philosophische Atmosphäre mit religiösem Einschlag und unorthodox anthroposophischem Hintergrund. Und es wurde leidenschaftlich gern Swingmusik gehört.

Friedrich Rudolf Geussenhainer, ein „Neumünsteraner Jung“, Medizinstudent und später Assistenzarzt am Universitätskrankenhaus Hamburg-Eppendorf, war einer von ihnen. Dem sog. III. Reich stand Geussenhainer zunächst positiv gegenüber, bis er 1939 wegen seines Interesses für „verbotene“ Literatur und Musik (Swing) sowie seines aktiv praktizierten katholischen Glaubens mit dem NS-Regime in Konflikt geriet. Er wurde erstmalig 1941 inhaftiert, weil er Predigten des Bischofs von Galen verbreitet hatte. Er schloss sich 1943 den Candidates of Humanity an, einem Kreis oppositioneller Mediziner. Im gleichen Jahr wurde er von der Gestapo in Hamburg festgenommen und zunächst in das Polizeigefängnis Fuhlsbüttel gebracht. Im Juni 1944 wurde er in das KZ Neuengamme deportiert, im Oktober weiter nach Mauthausen, wo er 1945 im Alter von 33 Jahren ums Leben kam.

Weitere Akteure:
Im engsten Kreis stand der Medizinstudent Albert Suhr. Suhr entwickelte schon als Schüler eine pazifistische Grundhaltung und stand dem Nationalsozialismus kritisch gegenüber. Nach außen passte er sich zunächst dem Regime an. Suhr war von 1933 bis 1938 Mitglied der Hitlerjugend, schloss sich danach der SA an und trat zu Beginn seines Studiums dem Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund bei. Nach der Aufnahme des Medizinstudiums an der Hamburger Universität lernte er die Buchhändlerin Hannelore Willbrandt kennen, die seine Ablehnung der herrschenden Verhältnisse teilte. Beide kamen in Kontakt zu einem kleinen Kreis oppositioneller Studenten um Heinz Kucharski, Reinhold Meyer und Margaretha Rothe. Gemeinsam lasen und diskutierten sie Werke verbotener Schriftsteller, erörterten künstlerische und philosophische Fragen und besuchten Vorlesungen des Pädagogen Wilhelm Flitner. Albert Suhr stellte die Verbindung her zu dem Kreis widerständiger junger Ärzte, der sich unter dem Namen Candidates of Humanity am Universitäts-Krankenhaus Eppendorf (UKE) gebildet hatte. Im Frühjahr 1943 gelangte das dritte Flugblatt der Weißen Rose nach Hamburg.

Drittes Flugblatt der Weißen Rose:
“Sabotage in Rüstungs- und kriegswichtigen Betrieben, Sabotage in allen Versammlungen, Kundgebungen, Festlichkeiten, Organisationen, die durch die nationalsozialistische Partei ins Leben gerufen werden. Verhinderung eines reibungslosen Ablaufs der Kriegsmaschine (einer Maschine, die nur für einen Krieg arbeitet, der allein um die Rettung und Erhaltung der nationalsozialistischen Partei und ihrer Diktatur arbeitet)…Sucht alle Bekannten, auch aus den unteren Volksschichten, von der Sinnlosigkeit einer Fortführung, von der Aussichtslosigkeit dieses Krieges, von der geistigen und wirtschaftlichen Versklavung durch den Nationalsozialismus, von der Zerstörung aller sittlichen und religiösen Werte zu überzeugen und zum passiven Widerstand zu veranlassen!” © Gedenkstätte Deutscher Widerstand

Suhr lernte 1942 den Medizinstudenten Frederick Geussenhainer kennen, mit dem er Freundschaft schloss, nachdem er erfahren hatte, dass dieser als überzeugter Katholik und Anhänger des Bischofs von Galen schon einige Zeit im KZ inhaftiert gewesen war. Geussenhainer, der seit 1943 im Universitätskrankenhaus Hamburg-Eppendorf als Assistenzarzt tätig war, schloss sich dort einem Kreis oppositioneller Mediziner an, zu denen die Ärzte Dr. John Gluck, Dr. Heinz Lord und die Assistenzärzte Eva Heiligtag und Otto Blumenthal gehörten. Im April 1943 gelang es einer Gestapo-Agentin, die sich ihnen als „Widerstandskämpferin aus pazifistischer Gesinnung“ zu nähern verstanden hatte, in den Geussenhainer-Kreis einzudringen. Mit Ausnahme von Otto Blumenthal fielen alle im Sommer 1943 in die Hände der Gestapo; als letzter Albert Suhr am 13.9.43. Geussenhainer versuchte, bei seiner Festnahme zu entkommen, wurde aber mit Seitengewehrstichen an Kopf und Bein so schwer verletzt, dass er überwältigt werden konnte. Im Sommer 1944 wurden Frederick Geussenhainer, Dr. Heinz Lord und Dr. John Gluck nach Neuengamme gebracht. Die Gestapo hatte bestimmt, dass diese drei Schutzhäftlinge nicht der Justiz, sondern der SS zu übergeben seien. Geussenhainer ging später mit anderen Neuengammer Häftlingen auf Transport in das Konzentrationslager Mauthausen in Österreich, wo er im April oder Mai 1945 ums Leben kam.

Dr. John Gluck wurde von den Engländern befreit, die Strapazen der Haft in Fuhlsbüttel und Neuengamme hat er allerdings nicht lange überlebt. Er starb 1949 in Südafrika.
Dr. Heinz Lord machte die Evakuierung des Lagers mit, d.h. einen der Todesmärsche. Er gehörte zu den wenigen Häftlingen, die die Katastrophe auf der „Cap Arcona“ in der Lübecker Bucht überlebten. Dr. Albert Suhr wurde von dem Gestapo-Spitzel Maurich Sachs-Ettinghausen verraten, dem am 18.11.2017 eine umstrittene Gedenktafel in Neumünster gesetzt wurde (das Freie Radio Neumünster berichtete).

Gedenken:
An Friedrich Geussenhainer wird mit einer Gedenkplatte im Audimax der Universität Hamburg, einem Mahnmal in Hamburg-Volksdorf sowie einem Stolperstein in der Johnsallee 63 in Hamburg-Rotherbaum sowie am Großflecken 17 in Neumünster erinnert. Zudem ist auf dem Gelände des Universitätsklinikums Eppendorf ein Studiengebäude Rothe-Geussenhainer-Haus benannt. Auf einer Gedenktafel für die Weiße Rose Hamburg am Haus der ehemaligen Agentur des Rauhen Hauses am Jungfernstieg 50 ist sein Name neben denen der anderen Toten der Widerstandsgruppe aufgezählt.



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