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Lohndumping in den Gefängnissen

Foto: Stefan Tenner

Derzeit machen Gefangene in der JVA Neumünster auf ihre Situation aufmerksam. In zwei Petitionen kritisieren sie das Verhalten des Personals aber auch die schlechten Lohnbedingungen. Mit diesem Problem stehen sie nicht allein.

In fast allen Bundesländern müssen Gefangenen arbeiten. Dafür erhalten sie allerdings einen sehr geringen Lohn und die Zeit wird nicht auf die Rente angerechnet. Mobil macht dagegen die Gefangenen-Gewerkschaft GG/BO. Sie fordert u.a. die Zahlung des Mindestlohns, der um ein Vielfaches höher liegt.

Mit Martina Franke von der Berliner Soligruppe der GG/BO haben wir uns darüber unterhalten.



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5 Gedanken zu „Lohndumping in den Gefängnissen“

  1. VÖLLIG DURCHGEKNALLT: MINDESTLOHN IM KNAST

    Der Kreisbeauftragte der FREIEN WÄHLER NEUMÜNSTER bezeichnet die Forderung von Martina Franke von der Gewerkschaft der Gefangenen GG/BO nach dem Mindestlohn für Arbeit im Knast als “völlig durchgeknallt”. Die Inhaftierten sind Menschen, die der Gesellschaft durch ihre Straftat einen mehr oder weniger großen Schaden zugefügt haben.Sie haben sich mit ihrer Straftat von der Solidargemeinschaft unserer Gesellschaft ein Stück weit entfernt. Und von dieser Gesellschaft, die um die Einführung des Mindestlohnes zusammen mit den Gewerkschaften jahrelang gekämpft hat, fordert die Gefangenengewerkschaft nun den Mindestlohn ein. An Dreistigkeit und Absurdität ist das kaum zu übertreffen.

    Der Kreisbeauftragte der FREIEN WÄHLER NEUMÜNSTER macht stattdessen darauf aufmerksam, dass die Unterbringung, Verköstigung, medizinische Versorung und die Betreuung der Strafgefangenen durch die Bediensteten, dem Steuerzahler pro Inhaftierten monatlich ca. 3500 Euro kostet. Auch Strafgefangene haben Anspruch auf eine menschenwürdige Behandlung und Unterbringung. Aber von der Gesellschaft den Mindestlohn zu fordern, die man mit der begangenen Straftat in den Hintern getreten hat, ist schon ziemlich dreist.

    Herzlichen Dank an das Freie Radio Neumünster für den zur Verfügung gestellten Podcast. Prädikat: Aufreger des Monats!

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    1. Holger Steffen: “Der Kreisbeauftragte der FREIEN WÄHLER NEUMÜNSTER macht stattdessen darauf aufmerksam, dass die Unterbringung, Verköstigung, medizinische Versorung und die Betreuung der Strafgefangenen durch die Bediensteten, dem Steuerzahler pro Inhaftierten monatlich ca. 3500 Euro kostet.”

      Es ist absolut richtig, dass Unterbringung etc. einen hohen Aufwand an Kosten bedeutet. Allerdings ist und das ist an dieser Stelle nicht zu vergessen, der Strafvollzug hoheitliche Aufgabe. Heißt: der Sozialstaat hat den Strafvollzug, wenn er sich für ihn als Resozialisierungsmaßnahme entscheidet, auch (finanziell) zu tragen. So wie Einrichtungen für psychisch und physisch Kranke, Kinder, Jugendliche, Obdachlose etc. getragen werden.
      Wenn der Staat diese Maßnahme für eine Resozialisierung (und das ist oberstes Ziel des Strafvollzugs) nicht tragen will, muss er sich eben für eine andere Maßnahme entscheiden.
      Außerdem: wenn Gefangene einen Mindestlohn erhalten würden, könnten sie die Kosten für Unterbringung, Kost usw. auch selbst tragen. Sie würden ihr Leben genau so finanzieren, wie die Menschen außerhalb der Knastmauern. Ein finanzieller Nachteil würde sich daraus also nicht ergeben, vor allem nicht für Steuerzahler*innen. Falls durch den Mindestlohn für Gefangene doch die Haushaltskassen gefährdet werden würden, sollten wir uns fragen, ob der Staat nicht sogar den >Niedriglohnsektor Gefängnis< benötigt, um sich wirtschaftlich aufrecht zu erhalten.

      Holger Steffen: "Auch Strafgefangene haben Anspruch auf eine menschenwürdige Behandlung und Unterbringung. Aber von der Gesellschaft den Mindestlohn zu fordern, die man mit der begangenen Straftat in den Hintern getreten hat, ist schon ziemlich dreist."

      Strafe soll allein die Freiheitsstrafe sein. Eine Verweigerung vom Mindestlohn stellt eine Doppelsanktionierung dar, welche verfassungswidrig ist.
      Knast ist keine Zone, in welcher der Gleichheitsgrundsatz und das Grundgesetz nicht gelten. Im Gegenteil: der Strafvollzug ist juristisch gesehen dem Leben draußen "anzugleichen". Wenn in dem Fall der Mindestlohn draußen als Mindeststandard gilt, ist es für uns nicht ersichtlich, warum er hinter Gittern nicht auch gelten sollte.
      Die Verweigerung des Mindestlohns für Gefangene bedeutet deswegen nicht nur ein Verstoß gegen die Strafvollzugsgesetze der Länder, sondern auch eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung.

  2. Liebe Frau Franke, aus dem Mindestlohn für geleistete Knastarbeit würde sich konsequenterweise dann auch ein Rentenanspruch ergeben. Nach der Haftentlassung hätte der Gefangene auch einen Anspruch auf das ALG I, wenn der Gefangene nach seiner Haftentlassung keinen Job findet. Ihre volkswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Analyse ist nicht zu Ende gedacht. Und ob das in der Bevölkerung vermittelbar ist, dass ein “Knacki” während seiner Haftzeit Rentenansprüche erwirbt, während wir Politiker uns um ein paar anrechenbare Punkte für die Mütterrente streiten, wage ich zu bezweifeln. Jetzt ist erst einmal wichtig das in den Justizvollzugsanstalten auch die verlängerten Aufschlusszeiten eingehalten werden. Wir haben in unseren Knästen zu wenig Bedienstete und häufig scheitern verlängerte Aufschlusszeiten an zuwenig Personal.

  3. Absolut richtig! Deswegen setzen wir uns auch für den Einbezug aller Gefangenen in das Sozialversicherungssystem ein.
    Und ebenfalls richtig, die Gefangenen hätten nach Haftentlassung Anspruch auf ALG I.
    Es bleibt aber dann bei meinem alten Argument: falls sich die Haushaltskassen den Mindestlohn und Rentenversicherung in Haft und auch nach der Gefangenschaft das ALG I nicht leisten können, beutetet das auch, dass der Staat die Ausbeutung, also den Hungerlohn für Gefangenen und alle Folgeerscheinungen (wie ALG II oder eben keine Rentenversicherungsbeiträge) benötigt, um sich aufrecht zu erhalten. Keine von den Politiker*innen, welche sich gegen den Mindestlohn und die Rentenversicherung für Gefangene positionieren, haben das aber jemals zugegeben. Wir hören immer nur, dass es die Haushaltskassen gefährden würde. Den logischen Umkehrschluss, dass Staat also Ausbeutung/einen Niedriglohnsektor braucht, um sich wirtschaftlich aufrecht zu erhalten, möchte dann niemand öffentlich zugeben.

    Außerdem: Politik sollte sich nicht darüber gestalten, was einfach vermittelbar ist und was nicht.
    Eher hat sie die Aufgabe, ihre Ziele adäquat der Bevölkerung verständig zu machen. Ich rede also von einem “so sollte es sein” Zustand. Unabhängig davon schätze ich die Bevölkerung auch nicht so minimal gebildet ein, dass sie die Argumentation der GG/BO nicht verstehen würde.
    Eher sollten wir uns doch fragen, warum sie denken, dass unsere Ziele nicht vermittelbar sind. Das könnte zum Beispiel daran liegen, dass eine “harte” Strafe, also die Verwehrung von Mindestlohn und Rentenversicherung der Bevölkerung “gerecht” vorkommt.
    Wenn wir uns aber im juristischen Sinne an das Wort “Gerecht” halten, und dabei spielt “das Recht” nunmal eine große Rolle, ist NUR die Freiheitsstrafe die eigentliche Strafe. Eine Doppel- oder Dreifachsanktionierung durch die Verweigerung von Mindestlohn und Rentenversicherung ist de facto rechtswidrig, also “ungerecht”.
    Zum Schluss: ich gebe Ihnen recht, die Aufschlusszeiten sind miserabel. Politische Ziele sollten aber ebenfalls nicht daran scheitern, parallel an verschiedenen Punkten zu arbeiten.
    Wenn die Vorstellung von Politik ist, dass wir immer nur eine Sache bearbeiten können, werden (große) Veränderungen nie erreicht. Aber wenn wir von einem -Ist Zustand- reden, gebe ich Ihnen recht: denn so scheint Politik gerade zu funktionieren.

  4. PS: Die Ziele der GG/BO sind keine radikalen.
    Schon 1977 wurde im damaligen Strafvollzugsgesetz festgehalten, dass Gefangene in die Rentenversicherung einbezogen werden sollen. Bis heute scheitert diese Umsetzung an einen Vorbehalt der Länder.
    Auch die jüngste Entwicklung seit 2015 zeigt eindeutig auf, dass diese Politik lediglich daran scheitert, dass Zuständigkeiten hin und hergeschoben werden, siehe auch:
    http://www.grundrechtekomitee.de/node/908
    oder:
    https://ggbo.de/rente-fuer-gefangene-ist-angelegenheit-der-justizministerien/

    Die Rentenversicherung scheitert also nicht an einer schlecht gebildeten Bevölkerung (diese Annahme möchte ich eh nicht unterstützen, sondern dem widersprechen), sondern an Politiker*innen, welche sehr sehr langsam arbeiten, wenn es nicht um die Interessen des Staates geht.

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